Forscher des Barcelona Institute for Global Health weisen im Rahmen einer Studie im Journal Environmental Health Perspectives auf eine mögliche Verbindung zwischen dem Konsum von ungefiltertem Leitungswasser und einem erhöhten Risiko für Prostatakrebs im Zusammenhang mit Nitrat und Trihalomethanen (THMs) hin.[1] Leitungswasser und in Flaschen abgefülltes Wasser enthalten oft Nitrat, das hauptsächlich durch die Verwendung von Düngemitteln in der Landwirtschaft und Gülle entsteht. Bei THMs handelt es sich um Nebenprodukte der Wasserdesinfektion. Wir fragen nicht nur anlässlich des Weltwassertages: Wie lässt sich die Gefahr reduzieren?
Diagnose Krebs
Jedes Jahr erhalten fast 500.000 Menschen in Deutschland die Diagnose Krebs, wobei Männer etwa 20% häufiger betroffen sind als Frauen. Prostatakrebs ist dabei die häufigste Krebsart bei Männern.
Ziel der Studie zum Konsum von wassergetragenem Nitrat und Trihalomethanen in Leitungs- und Flaschenwasser
Ziel der Studie war es, den Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Nitrat und Trihalomethanen (THM) im Trinkwasser und dem Risiko für Prostatakrebs zu bewerten. Nitrat und THM sind zwei häufige Verunreinigungen im Trinkwasser.
Nitrat stammt aus landwirtschaftlichen Düngemitteln und Gülle aus der Intensivtierhaltung und gelangt in Flüsse, Seen und in das Grundwasser.
THMs hingegen entstehen als Nebenprodukte der Wasserdesinfektion mit Chlor und können auch beim Duschen, Schwimmen in Schwimmbädern oder beim Geschirrspülen eingeatmet und über die Haut aufgenommen werden.
Die Studie untersuchte, ob eine langfristige Exposition gegenüber Nitrat im Erwachsenenalter das Krebsrisiko erhöht und ob eine Langzeitexposition gegenüber THMs mit einem erhöhten Risiko für Blasenkrebs in Zusammenhang steht.
Krebs und Langzeitbelastung durch Nitrat und THMs im Trinkwasser
Ein Forschungsteam unter der Leitung von ISGlobal untersuchte 697 Fälle von Prostatakrebs, darunter 97 aggressive Tumore, die zwischen 2008 und 2013 in spanischen Krankenhäusern diagnostiziert wurden. Außerdem wurde eine Kontrollgruppe aus 927 Männern im Alter von 38 bis 85 Jahren, die zum Zeitpunkt der Studie keinen Krebs hatten, gegenübergestellt.
Die Studie hatte das Ziel zu beurteilen, ob es einen Zusammenhang zwischen einer langfristigen Exposition gegenüber Nitrat und THMs im Trinkwasser und Prostatakrebs gibt. Die Forscher schätzten die durchschnittliche Exposition jedes Teilnehmers gegenüber Nitrat und Trihalomethanen, basierend auf ihrem Wohnort, der Art des konsumierten Wassers (Leitungswasser, Flaschenwasser oder Brunnenwasser) und der Menge des getrunkenen Wassers im Laufe ihres Lebens.
Die Schätzungen basierten auf verfügbaren Daten von Trinkwasserkontrollen, Analysen von Flaschenwasser verschiedener Marken und Messungen an verschiedenen Orten in Spanien, die durch Grundwasser versorgt wurden.
Die Studie des Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) macht deutlich, dass der langfristige Konsum von Leitungs- und Flaschenwasser mit hohem Nitratgehalt insbesondere bei jüngeren Männern und aggressiven Tumoren ein Risikofaktor für Prostatakrebs sein könnte.
Quelle: Welt, Donat G. et al., Enviromental Health Perspectives, 2023
Bei Teilnehmern mit einer höheren Nitratexposition durch Trinkwasser (im Durchschnitt mehr als 14 mg pro Tag über ihr Leben) war die Wahrscheinlichkeit, einen niedrig- oder mittelgradigen Prostatakrebs zu entwickeln, 1,6-mal höher und die Wahrscheinlichkeit, einen aggressiven Prostatakrebs zu entwickeln, fast 3-mal höher als bei Teilnehmern mit niedrigerer Nitratexposition (im Durchschnitt weniger als 6 mg pro Tag).
„Es wurde vermutet, dass aggressiver Prostatakrebs, der mit einer schlechteren Prognose einhergeht, andere ätiologische Ursachen hat als langsam wachsende Tumore mit einem indolenten Verlauf, und unsere Ergebnisse bestätigen diese Möglichkeit“, erklärte ISGlobal-Forscherin Dr. Carolina Donat-Vargas, Leiterin Autor der Studie. „Die Risiken im Zusammenhang mit der Aufnahme von Nitrat über Wasser werden bereits bei Menschen beobachtet, die Wasser mit Nitratwerten konsumieren, die unter dem von den europäischen Richtlinien zulässigen Höchstwert liegen, der 50 mg Nitrat pro Liter Wasser beträgt.“
Deutsche Forscher warnten bereits vor dem Krebsrisiko durch Leitungswasser und ..."dass besonders Gebiete mit hohem Viehbesatz - etwa in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern von Grenzwertüberschreitungen betroffen sind."[2]
Das Problem liegt unter anderem, im globalen Risiko schlechter Wasserqualität und der damit einhergehenden regionalen und weltweiten Belastung durch Stickstoff aus Dünger und Gülle.
Quelle: Umweltbundesamt 2016
Das deutsche Umweltbundesamt hat festgestellt, dass in vielen Regionen die gemessenen Nitratmengen im Trinkwasser zwei- bis dreimal höher als die empfohlenen Werte sind. Um diese Werte zu senken, müsste in einigen Regionen das jährliche Nitrat auf pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche um mehr als 100 Kilogramm reduziert werden.
Besonders in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, aber auch in Regionen in Bayern betreiben Versorgungsunternehmen heute einen enormen Aufwand, um Grundwasser für die Trinkwasserversorgung aufzubereiten.[3] Darüber hinaus ist auch in Brandenburg das Grundwasser stark mit Nitrat belastet. Ein Bericht des Landesumweltamtes in Brandenburg zeigt, dass bereits zwischen 2006 und 2012 die zulässige Nitratkonzentration im Grundwasser um bis zu 329 Milligramm pro Liter überschritten wurde.[4] Im Jahr 2015 wiesen rund 14 Prozent der Messstellen im Land mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter auf, wie eine Studie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft belegt.[5]
Weiterführende Informationen finden Sie auch in unseren folgenden Blogbeiträgen:
Nitratbelastung im Grundwasser: im EU-Vergleich hält Deutschland den Rekord
Trinkwasser mit Nitrat belastet?
Weltbank warnt vor massiver, weltweiter Krise der Wasserqualität
Ist Leitungswasser die beste Wahl?
Wasser 2050: Lebt die Hälfte der Menschen in Wasserrisikogebieten?
Trinkwasser Studie aus USA: „Gefährlicher Cocktail aus Chemikalien“
Chemikalien & Wasserkreislauf: Errungenschaft mit unkalkulierbarem Risiko?
Bayern: Krebserregende Chemikalie PFOA im Trinkwasser
Neuartige und teilweise noch unbekannte Spurenstoffe im Wasser
Im folgenden Video der Weltbank „Quality Unknown: The Invisible Water Crisis“ (Übersetzung: Qualität unbekannt - Die unsichtbare Wasserkrise) wird das Problem noch einmal in seinem vollen Ausmaß klar:
Fazit: Wie lässt sich das Risiko für Erkrankungen wie Prostatakrebs durch verunreinigtes Trinkwasser reduzieren?
Die spanische Studie unter Leitung des Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) legt nahe, dass die Ernährung eine wichtige Rolle spielt. Die Forscher fanden heraus, dass der Verzehr von viel Ballaststoffen, Obst/Gemüse und Vitamin C die negative Wirkung von Nitrat im Trinkwasser verringern könnte.[6] Dieser Ansatz geht uns jedoch nicht weit genug.
Solange die Grenzwerte für Nitrat und zahlreiche weitere chemische Substanzen im Trinkwasseraus unserer Sicht zu hoch angesetzt sind oder bestimmte Stoffe (PFAS, Medikamente, Mikro- und Nanoplastik usw.) erst gar nicht untersucht werden, schützen sich Verbraucher zu Hause nur mit einer guten Wasserfilteranlage. Diese filtert Nitrat, THMs und weitere Schadstoffe aus dem Wasser und ermöglicht den Konsum von reinstem Trinkwasser.
[1] Vgl. ehp - Environmental Health Perspectives: "Long-Term Exposure to Nitrate and Trihalomethanes in Drinking Water and Prostate Cancer: A Multicase–Control Study in Spain (MCC-Spain)", https://ehp.niehs.nih.gov/doi/10.1289/EHP11391, März 2023
[2] Vgl. BUND-Studie: Nitrat im Trinkwasser, https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/fluesse/fluesse_trinkwasser_nitrat_studie.pdf, 2019
[3] Vgl. Welt: In diesen Regionen ist das Grundwasser besonders belastet", https://www.welt.de/wirtschaft/article167452318/In-diesen-Regionen-ist-das-Grundwasser-besonders-belastet.html, 2017
[4] Vgl. BUND-Studie: Nitrat im Trinkwasser, https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/fluesse/fluesse_trinkwasser_nitrat_studie.pdf, 2019
[5] Vgl. BDEW: "Bericht zur Nitratbelastung der Trinkwasserressourcen in Deutschland", https://www.bdew.de/media/documents/20181217_Nitratbericht.pdf, 2019
[6] Vgl. ehp - Environmental Health Perspectives: "Long-Term Exposure to Nitrate and Trihalomethanes in Drinking Water and Prostate Cancer: A Multicase–Control Study in Spain (MCC-Spain)", https://ehp.niehs.nih.gov/doi/10.1289/EHP11391, März 2023